“Der rote Faden”
Jede Strukturaufstellung ist einzigartig so wie wir Menschen unsere eigene Geschichte und unsere eigene Sichtweise und Anliegen haben. Und doch gibt es in dieser Einzigartigkeit etwas Beständiges, so eine Art “roter Faden” dem ich als Gastgeberin folge.
Mit der Beschreibung des roten Fadens möchte ich dir eine Vorstellung vermitteln, wie ein Ablauf einer Systemischen Strukturaufstellung grundsätzlich verlaufen kann.
Die folgenden vier Aspekte sind wesentliche Teilschritte einer Systemischen Strukturaufstellung:
Schritt 1
Das Vorgespräch
Auf welches System bezieht sich der Veränderungswunsch?
Schritt 2
Das 1. Bild
Die herausgearbeiteten Elemente des zu verändernden Systems werden gestellt.
Schritt 3
Interventionen
Das symbolisierte, simulierte System wird durch Interventionen verändert.
Schritt 4
Lösungsbild
Die Veränderungen werden wieder in das Ursprungssystem übernommen.
Vielleicht interessieren dich weitere Erläuterungen zu den einzelnen Schritten. Einen ersten Einblick findest du bei den folgenden Reitern:
Worum geht es?
Die Auftragsklärung ist eine wesentliche Voraussetzung für die gewünschte Strukturaufstellung. Je nach Anliegen kann sie kürzer (zum Beispiel bei sogenannten “Blitzlichtern”) oder länger ausfallen.
Co-kreative Vorgespräche
Meine Vorgespräche sind von der lösungsorientierten Haltung Steve de Shazers und Insoo Kim Berg‘s geprägt und sind ein co-kreativer Prozess. Sich die Zeit und den Raum zu nehmen, sich erst einmal kennenlernen und Vertrauen aufzubauen sind mir dabei sehr wichtig.
Welche Elemente sind für das Anliegen wichtig?
In dem Vorgespräch finden wir heraus, welche Aspekte bei einem Veränderungswunsch relevant und zu berücksichtigen sind:
- Eine Aufstellung beginnt immer bei der Person, die einen Wunsch zur Veränderung hat. Dies kann auch eine Personengruppe sein.
- Das Anliegen und die gewünschte Richtung der Lösung bestimmen nun im Weiteren, wer oder was zum verändernden System gehört. Dabei nennen wir das, was eine Person/Personengruppe verändern möchte, “das zu verändernde System”. Dieses zu verändernde System besteht immer mindestens aus zwei Elementen: Der Person, die den Veränderungswunsch hat und dem, worauf sich die Veränderung bezieht, wie zum Beispiel ein Ziel, eine andere Person oder ein Thema. Oftmals gehören zu einem Anliegen mehr als zwei Elemente. Immer gilt: Veränderung geschieht immer zwischen etwas.
Einzel- oder Gruppensetting?
Das Vorgespräch ist geführt, die Elemente, die für das Anliegen wichtig sind, bestimmt.
Im nächsten Schritt wird das zu verändernde System abgebildet. Für die verschiedenen Elemente wird dafür eine symbolische Darstellung gewählt.
In den offenen Gruppen arbeiten wir mit Personen als Repräsentanten. So kann ein Repräsentant ein Ziel repräsentieren oder einen Vater oder ein Körperteil, je nach Anliegen.
Im Einzelsetting erfolgt eine symbolische Darstellung mithilfe von Gegenständen. Das können Stühle, Figuren, oder beschriftete Blätter sein.
Das erste Bild
Nachdem die Repräsentanten gewählt und benannt wurden, werden diese nacheinander vom Anliegenbringer in den Raum gebracht. Der „richtige“ Platz ist ein „stimmiger“ Platz. Die innere Wahrnehmung ist hier richtungsleitend.
Sind alle Elemente im Raum gestellt, erhalten wir das sogenannte „1. Bild“. Oftmals ist schon dieses 1. Bild hilfreich, denn die unterschiedlichen Blickrichtungen und Abstände der Elemente geben einen Einblick in die aktuellen Beziehungsstrukturen. Diese ermöglichen oft schon erste Einblicke und Erkenntnisse, die den KlientInnen erfahrungsgemäß zu einem ersten vertieften Verständnis für ihr Anliegen verhelfen.
Neben den offensichtlichen Blickrichtungen und Abständen sind im 1. Bild und für die weitere Arbeit die körperlichen Wahrnehmungen der Repräsentanten, die als “repräsentiere Wahrnehmung” bezeichnet wird.
Auf die Wahrnehmung kommt es an
„Repräsentative Wahrnehmungen“ können ganz unterschiedlich sein:
- Temperaturempfindungen,
wie zum Beispiel besondere Wärme oder Kälte am ganzen Körper oder an Körperteilen oder Körperseiten - Standfestigkeit
wie zum Beispiel „einen guten festen Stand“ haben, „wie in Beton gegossen“, vorwiegend auf einem Bein stehend, nach hinten oder vorne kippend und anderes mehr - Sehen
wie zum Beispiel nicht sehen können, weil die Augen geschlossen sind, nicht sehen können, weil der Blick auf den Boden gerichtet ist oder weil nur ein fokussierter Blick möglich ist, der alles andere ausblendet - Hören
wie zum Beispiel selektives Hören, das ein Zuhören des Gesagten von einzelnen Elementen ermöglicht, von anderen dagegen nicht. - Fühlen
wie zum Beispiel das Wahrnehmen von einer Körperseite mehr als im Vergleich zur anderen oder kribbeln in den Armen
Dass die repräsentativen Wahrnehmungen wichtig und stimmig sind, kann jeder bei sogenannten „verdeckten Aufstellungen“ erfahren.
Verdeckt aufstellen
„Verdeckt“ kann zum Beispiel bedeuten, dass die Repräsentanten nur wissen, dass sie repräsentieren und dass sie vielleicht „M“ oder „B“ oder „X“ heißen. Die Repräsentanten wissen jedoch nicht, wen oder was sie repräsentieren, also ob sie zum Beispiel eine Bezugsperson oder ein Ziel repräsentieren. Der Gastgeber und der Anliegenbringer wissen jedoch die Bedeutung der Elemente und können die Aussagen der Repräsentanten direkt einordnen. Die Wahrnehmungen sind auf eine immer wieder beeindruckende Weise stimmig zu dem Erleben des Anliegenbringers.
Der roten Faden
Die repräsentierende Wahrnehmung der einzelnen Repräsentanten ist der rote Faden für die weitere Arbeit an dem zu verändernden System. Als Gastgeberin frage ich immer wieder nach Unterschieden in den Wahrnehmungen und nicht nach dem absoluten Befinden.
Veränderung bedeutet Verbesserung
Ziel der Aufstellung eines Anliegens ist es immer, das Bild, das mit der Anordnung der Elemente im Raum entstanden ist, in einer für die Anliegenbringer ressourcenreichere Richtung zu verändern.
Eine ressourcenreichere Richtung kann sein, dass mit einer Aufstellung die Grundlage für eine leichtere und stimmigere Entscheidung gelegt wird, oder dass die Voraussetzungen geschaffen werden, ein Ziel leichter zu erreichen, oder dass Verstrickungen in einem Beziehungsgefüge gelöst werden, so dass eine Beziehung auf Augenhöhe möglich wird. Ressourcenreicher kann ein Bild auch im kreativen Sinne sein, wenn Ideen oder Optionen simuliert werden können.
Die Prozesse können nur co-kreativ gestaltet werden
Als Gastgeberin ist es meine Aufgabe, einen guten, wertschätzenden Rahmen für die Strukturaufstellung zu gestalten, die Aufstellung zu unterstützen und zu begleiten sowie Angebote für die nächsten Schritte zu machen. Als Gastgeberin verfüge ich jedoch nicht allein über den Verlauf der Strukturaufstellung. Eine Strukturaufstellung ist immer ein co-kreativer Prozess aller Beteiligten.
In diesem co-kreativen Prozess zeigt sich, ob es zum Beispiel erforderlich ist, weitere Elemente/Repräsentanten mit ins Bild zu nehmen, Repräsentanten umzustellen oder Prozesse einzuleiten, wie das Herstellen von Blickkontakt.
Eine Strukturaufstellung hat dann ihr Ziel erreicht, wenn ein „Bild“ gefunden ist, bei dem sich alle Repräsentanten mindestens neutral fühlen bis äußerst zufrieden sind.
Das Bild wird wieder “eingerollt”
Ist das Lösungsbild in der Wahrnehmung für alle Beteiligten und aus Sicht des Anliegenbringers einvernehmlich erreicht, lade ich die Anliegenbringer ein, an den Platz ihres Fokus zu gehen. Als Fokus bezeichnen wir den Repräsentanten, der uns in Bezug auf dieses Anliegen vertritt. Aus dieser Perspektive erinnere ich noch einmal an alle Elemente und Lösungsschritte, die im Laufe der Aufstellung relevant waren, so dass die Lösung mit dem neuen Bild erlebt werden kann.
Wenn alles für die Klientinnen stimmig ist, lade ich den Anliegenbringer ein, das Lösungsbild zu ankern.
Der Beginn von etwas Neuem
Das Lösungsbild ist immer der Beginn von etwas Neuem – das Lösungsbild wirkt über die Klientin/den Klienten weiter und setzt sich nach und nach in neuen Handlungen im Außen fort.
Die Repräsentanten “entrollen” sich, zum Beispiel indem sie zum Beispiel ihre eigenen Namen innerlich nennen.