Das Geheimnis der Standspur

Neulich morgens im Berufsverkehr. Ich war auf dem Weg zu einem Termin und brauchte dafür den Weg über die Autobahn. In meiner Umgebung sind einige Autobahnen bereits dreispurig ausgebaut und dennoch bilden sich zu den Stoßzeiten immer wieder Staus.

Obwohl ich diese Autobahn gefühlt in- und auswendig kenne, ist an diesem Morgen etwas anders als sonst.

Besondere Schilder weisen uns Fahrende ausdrücklich darauf hin, dass wir jetzt auch die Standspur nutzen mögen. Vier ganze Spuren! Der sonst stockende Verkehr fließt prompt etwas flotter gen Süden.

Ich bin diese Strecke wie bereits erwähnt schon oft gefahren und die Standspur wurde nicht zum ersten Mal freigegeben. Und doch war an diesem Morgen etwas anders als sonst.

Das Geheimnis der Standspur

Vielleicht habe ich an diesem Morgen zum ersten Mal die Standspur benutzt, vielleicht war ich auch einfach offener für das Geschenk, das sie mir machte.

Ich erinnere mich auf jeden Fall daran, dass mir das allererste Kreuzen dieser durchgezogenen breiten Linie etwas Überwindung kostete und ich mich erneut vergewisserte, dass ich die Erlaubnis habe. Einfach so, mit dieser Geschwindigkeit auf der Standspur so weiterfahren, schien mir fast undenkbar. Zumal ich kein anderes Auto sah, das diese Möglichkeit nutzte.

Als ich mich entschloss, das Angebot anzunehmen, auf die Standspur zu wechseln, wurde mir plötzlich etwas bewusst. Ich erlebte in der Freigabe der Standspur eine Metapher für unser Leben.

Wir leben unser Leben entsprechend unserer Sozialisierung, unser Biografie, dem Zeitgeist. Selten hinterfragen wir uns dabei. Wir leben häufig unser Leben – mal mehr, mal weniger “im Fluss des Lebens”.

Was, wenn wir in den Bereichen, in denen es gerade stockt und nicht voran geht, wir uns bewusst werden, dass es auch anders gehen könnte? Leichter? Freudiger? Friedvoller? Mehr im Einklang mit dem, was mich ausmacht? Und gleichzeitig gut verbunden mit meinem Umfeld? Was, wenn das Mühen und Abstrampeln etwas Leichterem weichen könnte?

An diesem Morgen hatte ich für mich die Analogie, dass der durchgezogene breite Streifen, der die Standspur von der Fahrbahn trennt, meine Grenze ist, die ich in meinem Geist wahrnehme. Meine Komfortzone, in der ich mich allem Unschönen hingebe, mich damit arrangiere, die Hoffnung aufgegeben habe, dass das Leben auch anders sein könnte für mich? Um dann die Erfahrung zu machen, wie leicht und schön das Sein sein kann – wenn ich mich überwunden habe und den Bereich betrete, der auch für mich gedacht ist, ihn aber für mich nicht annehmen konnte?

Vielleicht beschäftigen Dich gerade die großen Fragen Deines Lebens? Vielleicht hast Du diese auch aus den Augen verloren, in dem, was gerade um Dich herum ist. Gerne begleite ich Dich ein Stück Deines Weges.

Foto: Danke an Anders Jildén auf Unsplash

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